Warum wurde Jesus Mensch?
Wie sich einige von Ihnen vielleicht erinnern, gingen wir in der Predigt vor drei Wochen der Frage nach: Ist Jesus Gott? Am Ende stand neben der Idee „Jeder kann Jesus selbst fragen, ob Er Gott ist“ auch meine in der Predigt dargelegte Überzeugung, dass Jesus sowohl Gottes Sohn als auch Gott ist.
An diesem Punkt möchte ich heute starten. Wenn wir davon ausgehen, dass Jesus Gott ist, – warum wurde dann Jesus Mensch? Warum hat Er nicht einfach Sein Gott-Sein weiter genossen, anstatt Mensch zu werden? Ein Mensch, der sich dann auch noch – Ostern haben wir gerade gefeiert – so furchtbar kreuzigen ließ. Nur, um danach wieder aufzuerstehen und wieder als Gott zu leben?
In der Lesung haben wir gehört:
»Er, der Gott gleich war, hielt doch nicht daran fest, so wie Gott zu sein,
sondern Er gab alle Seine Vorrechte auf und nahm die niedrige Stellung eines Dieners an, Er wurde als Mensch geboren und als solcher erkannt.« Philipper 2,6-7[1]
Das sind starke Worte! Warum hat Jesus sich das angetan? …
Ich stelle die Frage nochmal zugespitzt:
Wozu brauchen wir Jesus? Reicht denn Gott nicht aus? …
Meiner Ansicht nach gibt es darauf eine Antwort, die aus zwei Teilen besteht.
Der erste Teil der Antwort lautet:
Der große, allmächtige Gott wird in Jesus erlebbar, sichtbar
Gott ist GeistJoh4,24
heißt es im Johannes-Evangelium. Ein Geist ist unsichtbar, so ist auch Gott unsichtbar. Die Bibel bezeugt, dass man Gott nicht sehen kann, und nie sehen wird:
»Gott, der Herr sprach zu Mose: »Du kannst Mein Angesicht nicht sehen,
denn ein Mensch kann Mich nicht sehen und am Leben bleiben.« 2.Mo 33,20
Und:
»[Gott]Er wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann.
Niemand hat Ihn je gesehen oder kann Ihn sehen.« 1.Tim 6,16
Gott wird in Jesus sichtbar
Wie kann man einen Geist kennen lernen? Indem er sichtbar wird. Weil Gott wollte, dass wir Ihn kennen lernen, zeigte Er sich in Jesus den Menschen.
Paulus betet im Kolosserbrief:
»[Jesus] ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes.« Kol 1,15
Johannes erzählt:
»Kein Mensch hat jemals Gott gesehen. Doch sein einziger Sohn, der selbst Gott ist
und in enger Gemeinschaft mit dem Vater lebt, hat ihn uns gezeigt.« Joh 1,18 HfA[2]
Jesus selbst spricht zu seinen Jüngern, nach dem letzten Abendmahl:
»Wenn ihr erkannt habt, wer Ich bin, dann habt ihr auch Meinen Vater erkannt. Schon jetzt erkennt ihr Ihn und habt Ihn bereits gesehen.“
„Herr, zeige uns den Vater“, sagte Philippus, „das genügt uns“.
„So lange bin ich schon bei euch, Philippus, und du kennst Mich immer noch nicht?“, erwiderte Jesus. „Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen! Wie kannst du da sagen: ‚Zeige uns den Vater!‘?«[3] Joh 14,7a.8-9
Den zweiten Teil der Antwort sehe ich so:
Gottes Liebe beugt Sich zu uns herab
Das will ich Ihnen erklären. Es sind Bausteine, die aufeinander aufbauen:
Zuerst besteht die Tatsache: Kein Mensch ist gerecht, alle haben gesündigt
Paulus sagt im Römerbrief – und er bezieht sich damit auf Worte aus den Psalmen[4]:
»Alle sind sie abgewichen und allesamt verdorben…
Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer.« [Röm 3,12.10]
Andere Worte für ‚abgewichen, verdorben‘ sein sind ‚Schuld‘, oder auch ‚Sünde‘. Sünde heißt: Gottes Gebote, Seinen Willen kennen und dagegen verstoßen.
Das Wort ‚Sünde‘ kommt in der Bibel über 200mal vor,[5] als erstes schon beim ‚Sündenfall‘ im Garten Eden[6], – das kennen sicher die meisten.
Der zweite Baustein:
Kein Mensch kann vor Gott bestehen. Ungerechtigkeit verdient den Tod
Schon kurz nach der Erschaffung des Menschen, im Garten Eden, sündigen die beiden. Gott kann über die Schuld nicht einfach hinwegsehen, als ob sie nicht geschehen wäre, denn dann wäre Er kein gerechter Gott. Er legte einen Fluch – zuerst auf die Schlange, dann auf Eva und Adam, stellvertretend für alle Frauen und Männer. Und schickte anschließend die beiden fort aus dem Paradies.
Auch der Prophet Jesaja spricht klare Worte zu Gottes Volk Israel:
»Eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen Sein Angesicht vor euch, dass ihr nicht gehört werdet.« Jes 59,2
Einige Kapitel später fleht Jesaja zu Gott für Israel:
»Herr, zürne nicht so sehr und gedenke nicht ewig der Sünde!
Sieh doch an, dass wir alle Dein Volk sind!« (64,8)
Und im Neuen Testament:
»Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst,
und die Wahrheit ist nicht in uns.« 1Joh 1,8
Der Apostel Paulus drückt es sehr einfach und klar aus:
»Denn der Sünde Sold ist der Tod.« Röm 6,23a[7]
Hm, krasse Worte, oder?
Schauen wir noch mal in den Garten Eden: Trotz des Fluches und der Vertreibung wird Gottes Liebe zu Seinen Menschen nämlich hier schon klar sichtbar.
Drittens: Opfer im AT
Eigentlich hätten Adam und Eva sterben müssen, so hatte es Gott den beiden vorher gesagt. Aber Gott wäre nicht Gott, wenn Er es dabei belassen würde. Wenn Er sagen würde. „So Mensch, du hast gesündigt gegen Mich, jetzt musst du sterben.“
Vielleicht haben Sie es noch im Kopf: Adam und Eva hatten sich zuerst – um ihre Scham zu bedecken – Schurze aus Blättern gemacht.[8] Gott hat diese dann durch Tierfelle ersetzt.[9]
»Und Gott, der Herr, machte Adam und seiner Frau Eva
Leibröcke aus Fell und bekleidete sie.« 1. Mo 3,21
Damit Gott die beiden mit Fellen bekleiden konnte, mußten Tiere ihr Leben lassen. Warum hat Gott das gemacht? Er hat ein Tier sterben lassen, damit Menschen am Leben bleiben konnten. Hier begegnen uns die ersten Tieropfer in der Menschheitsgeschichte. Das deutet schon darauf hin, dass nur Blut als Opfer[10] ausreicht, um von der Sünde zu reinigen.
‚Von der Sünde reinigen‘ nennt man auch ‚Sühnung‘ oder ‚Sühne‘. Als Sühne wird der Akt bezeichnet, durch den ein Mensch, der schuldig geworden ist, diese Schuld durch eine Ausgleichsleistung aufhebt oder mindert.[11]
Zur Zeit des Alten Bundes – also die Zeit, bevor Jesus als Mensch lebte – musste als Sühnung für die Sünde von Menschen das Blut von makellosen Tieren vergossen werden. Gott wies Mose an, dem Volk Israel zu sagen:
»Denn im Blut ist das Leben. Ich habe bestimmt, dass alles Blut
zum Altar gebracht wird, um Schuld zu sühnen. Weil im Blut das Leben ist, schafft es Sühne für verwirktes Leben.« 3. Mo17,11
Gottes Gerechtigkeit & Liebe
Dieser Kreislauf von schuldig werden der Menschen und Gottes Zuwendung zu ihnen wiederholt sich seit dem Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten unzählige Male: Die Menschen sind unzufrieden, lehnen sich gegen Gott auf, machen große Dummheiten. Daraufhin geht es ihnen schlecht. Dann rufen sie zu ihrem Gott, Er soll ihnen helfen. Was Er in Seiner Liebe für Sein Volk dann auch immer tut. Und wenn es den Menschen dann wieder besser ging, begann dieser Kreislauf von vorne, wieder und wieder. Was glauben Sie, – ließ Gott das ewig so weiterlaufen, oder hatte Er irgendwann sozusagen ‚die Nase voll‘? Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Er Sein Volk über alles liebt. Er sagt sogar:
»Wer euch antastet, tastet Meinen Augapfel an.« Sach 2,12[12]
Und doch leidet Gott natürlich darunter, dass Sein geliebtes Volk sich immer wieder gegen Ihn entscheidet und damit ins Verderben rennt. Das wusste Er schon von Anbeginn der Welt. Im Prophetenbuch Daniel spricht Gott, dass Er schon einen genauen Zeitpunkt festgelegt hat,…
»… um der Übertretung ein Ende zu machen und die Sünden abzutun, um die Missetat zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit herbeizuführen.« Dan 9,24
Wow!! Ich finde das spannend wie ein Krimi, wie Gott nach vielen Dramen in dieser Geschichte mit Seinem Volk dem Elend, in das die Menschen sich immer wieder brachten, ein Ende setzte.
Im Neuen Testament liest sich das so:
»Als aber die Zeit erfüllt war,
sandte Gott Seinen Sohn.« Gal 4,4
Okay… Wozu hat jetzt Gott Jesus, Seinen Sohn, gesandt?
Gott musste Mensch werden, um uns Seine Liebe zu zeigen
Der König und das Bettelmädchen (nach Sören Kierkegaard)
Dazu werde ich werde Ihnen jetzt eine Geschichte erzählen:
Es war einmal ein König, der liebte ein bettelarmes Mädchen. Niemand hätte es dem König verwehren können, das Mädchen zu heiraten. Niemand hätte auch nur gewagt, ein Wort dagegen zu sagen – offen oder im Geheimen. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, das bettelarme Mädchen in seinen königlichen Stand emporzuheben.
Doch in des Königs Herzens erwachte Sorge, ob das Mädchen wohl dadurch glücklich werde. Er sprach zu niemand von seiner Besorgnis, denn hätte er es getan, dann hätte jedermann am Hofe gesagt: „Eure Majestät erweisen dem Mädchen eine Wohltat, für die sie Eurer Majestät ihr Leben lang nicht genug wird danken können.“ Das hätte nur den Zorn des Königs erregt.
Einsam hegte er den Kummer in seinem Herzen: Ob das Mädchen wohl so frei werden könnte, niemals daran zu denken, was der König vergessen wollte: Dass er der König und sie ein bettelarmes Mädchen gewesen war. Denn geschähe dies, was wäre da der Liebe Glück! Dann wäre es besser, wenn sie in ihrem Winkel geblieben, zufrieden in der armen Hütte, aber freien Sinns in ihrer Liebe und frohgemut.
Weil der König das Mädchen liebte, gab es für ihn nur einen Weg: Als Bettler dem bettelarmen Mädchen zu begegnen. Dabei dürfte der Bettelmantel kein bloßer Umhang sein, mit dem er sich tarnt, sondern er müsste wirklich Bettler, er müsste einer ihresgleichen werden.[13]
Rettung ist da
Gott wurde in Jesus Mensch, damit wir Seiner Liebe glauben und sie annehmen können.
Weil Jesus Mensch war und als solcher auch unglaublich gelitten hat, können wir sicher sein, dass Er genau weiß, wie es uns geht, wenn wir leiden. Er kann uns auch ein wunderbares Vorbild sein, in Seiner Klarheit und mit Seiner Liebe zu den Menschen. Diese Liebe, die bis zum Äußersten ging:
»Niemand hat größere Liebe als die,
dass er sein Leben hingibt für seine Freunde.« Joh 15,13
Ist es nicht unglaublich, dass Gott bereit ist, alles für Seine Freunde zu geben, -Seinen Sohn und damit sich selbst?
Womit sich die Frage anschließt: Warum hat Jesus Sein Leben gegeben, warum ließ Er sich martern und ans Kreuz nageln?
Beim Propheten Jesaja heißt es:
»Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg.
Aber der Herr warf unser aller Sünde auf Ihn.« Jes 53,6
Wenn wir zurückdenken an den Anfang der Predigt: Als Tilgung der Sünde der Menschen musste Blut eines makellosen Tieres vergossen werden. D a s ist der zweite Teil der antwort, warum Jesus Mensch wurde:
Aus Gehorsam und Liebe zu seinem himmlischen Vater und aus Liebe zu uns hat Jesus die Sünde der Menschen aller Zeiten[14] und die darauf liegende Strafe des Todes auf sich genommen. Für uns, an unserer Stelle, hat er die Strafe des Todes am Kreuz erlitten. Jesus hat sich für uns geopfert – hat wie ein Opferlamm Sein Blut für uns gegeben.
Als Johannes der Täufer Jesus sieht, sagt er:
»Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.« Joh 1,29
Und Jesus selbst sagt von Sich, er, der Menschensohn
»…ist gekommen, sein Leben zu geben zu einer Erlösung für viele.« Mt. 20, 28
»Denn Gott hat beschlossen, mit Seiner ganzen Fülle in Ihm [-Jesus] zu wohnen und alles im Himmel und auf der Erde durch Ihn mit Sich zu versöhnen.
Ja, Gott hat Frieden gestiftet, als Jesus am Kreuz sein Blut vergoss. Kol 1,19-20
Auch dafür wurde Jesus Mensch. Durch Ihn bietet uns Gott Versöhnung an. Allen, die das Kreuzesopfer Jesu Christi für sich persönlich annehmen, erlangen Vergebung ihrer Sünden und ewiges Leben. Wir brauchen nur ‚ja‘ dazu sagen.
Dem Herrn sei Lob, Ehre und Dank! Amen.
[1] (selbst)
[2] s.auch: 1. Joh 4,12
[3] Nur wer Ihn sieht, erkennt Gott.
[4] »Wie geschrieben steht: »Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt. Alle sind sie abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.« Röm 3,10-12
»[Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage.] Aber sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben; [da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer].« Ps 14,2 parall: Ps 53,4
[5] 274mal bei Luther.
Das erste Mal als Wort bei Kain’s Brudermord in 1Mo4,7: » Ist’s nicht so: Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.«
[6] von insgesamt 1189 Kapiteln
[7] Später: »Die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.« Röm 6,23b
[8] 1Mo 3,7
[9] 1Mo 3,21
[10] etwas, das man hergibt oder auf das man verzichtet, obwohl es schwerfällt
[11] „Sühnung tun“ übersetzt, kann aber auch für „reinigen“ oder „versöhnen“ verwendet werden. Wörtlich bedeutet das Wort kaphar ‚bedecken‘, dass er oder seine Sünde bedeckt ist. [Wikipedia]
[12] auch: »Er behütete ihn [Jakob/Volk Israel] wie seinen Augapfel.« 5Mo 32,10
[13] Denn die Liebe ändert nicht den Geliebten, sondern sich selbst.
[14] »Jesus Christus ist die Versöhnung für unsere Sünden,
aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt.« 1Joh 2,2